Kluge Mädchen. Frauen entdecken ihre Hochbegabung (Katharina Fietze)
Endlich ein Buch, in dem es hauptsächlich um erwachsene Hochbegabte geht – und zwar um Frauen, also um jene Gruppe Hochbegabter, die sonst „am wenigsten auffällt“.
Der erste Teil des Buches besteht aus Kindheitsgeschichten, so wie sie 
von hochbegabten Frauen erzählt wurden und deckt eine große Bandbreite 
an Erfahrungen und Lebenswelten ab. Fast jede hochbegabte Frau wird sich
 in der einen oder anderen Szene wiederfinden.
Im zweiten Teil versucht die Autorin, aus diesen Geschichten 
„übergeordnete Charakteristika“  zu ziehen. Da sie von der 
Grundausbildung keine Psychologin ist, geht sie ziemlich unbefangen an 
diese Vorhaben, und das ist gut so. So kann sie nämlich der 
Vielschichtigkeit und den (inneren) Widersprüchen besser gerecht werden.
 Zum Beispiel kann ein und dieselbe Hochbegabte „offen und neugierig“ 
aber auch „verschlossen und menschenscheu“ sein, oder „hochkonzentriert“
 und „leicht abgelenkt“. Das hängt eben von der jeweiligen Situation und
 dem aktuellen Befinden ab.
Der hier entscheidende Satz war für mich: „Die eigene Hochbegabung zu leben, beinhaltet die Fähigkeit, diese Gegensätze auszuhalten, ohne daran zu zerbrechen.“
 
Besonders wichtig ist für mich das Kapitel „Späterkannte Hochbegabung“: 
Was tun, wenn der Verdacht auf Hochbegabung erst im Erwachsenenalter 
eintritt? Wie kann man mit dem Testergebnis umgehen? Welche Folgen kann 
es für das eigene Leben haben?
Für meine Begriffe hätte der erste Teil dieses Kapitels – also bis zum IQ-Test - durchausausführlicher sein dürfen, da gehen für die die Zweifel und Überlegung, 
die hier viele Frauen plagen, etwas unter. Auch der Rest des Kapitels 
dürfte etwas konkreter ausfallen – manches ist nur hingeworfen, 
angedeutet. Aber natürlich verläuft der Prozess der „Integration der 
eigenen Hochbegabung“ bei jeder Frau anders.
Interessant auch, dass im letzten Kapitel „Hochbegabte Mädchen“ die alten Klischees – wie „Mädchen brauchen nichts lernen, die heiraten eh“, „ein kluges Mädchen hat weniger Chancen bei den Männern“ 
- angeführt werden. Ist es tatsächlich so, dass diese Ideen immer noch 
in unserer Gesellschaft und in unserem Denken wirksam sind?!
Besonders gefällt mir die Empfehlung: „Sagen Sie Ihrer Tochter ganz klar, dass sie hochbegabt ist.“ 
Das sehe ich auch so, denn Hochbegabung ist ein entscheidender Teil der
 Persönlichkeit und will sich als solcher entfalten, zur Geltung kommen.
 Und das geht besser, wenn man Bescheid weiß.
PS: Schade, dass das Cover nicht ohne Klischee auskommt - nicht alle 
hochbegabten Mädchen tragen eine Brille und sind Leseratten.







