Was wir glauben, über hochbegabte Kinder zu wissen...

Egal, ob wir hochbegabte Kinder oder Erwachsene persönlich kennen oder nicht - jeder hat irgendeine Vorstellung davon, wie "die" sind: Diese Kinder schreiben doch immer lauter Einser, haben aber keine Freunde. Diese Erwachsenen sind alle richtige Nerds und finden keine Partner. Oder?

„Alle hochbegabten Kinder lesen dauernd, und zwar alles, was ihnen in die Hände fällt.“

Nein.
Es stimmt, dass viele hochbegabte Kinder ausdauernde und interessierte LeserInnen sind und z.B. schon in der 3. oder 4. Klasse Volksschule alle sieben Bände Harry Potter verschlingen.
Hier kann sogar das Beschaffen von geeignetem Lesestoff zu einer Herausforderung werden, z.B. wenn sich ein (hochbegabtes) Kind für ein spezielles Thema interessiert, darüber aber kaum kindgerechte Literatur aufzutreiben ist (z.B. Geometrie oder Stadtplanung). Andere (hoch)begabte Kinder finden nur schwer Geschichten, die sie interessieren, weil sie mit ihren Interessen und ihrer Denkweise anderen Kindern in ihrem Alter voraus sind.

Aber es gibt auch unter den hochbegabten Kindern so wie unter allen anderen Kindern „lesefaule“ Kinder, die sich ihre geistigen Anregungen lieber aus dem Fernsehen oder aus dem Internet holen, weil das  "einfache" Möglichkeiten sind, an Informationen aus der Erwachsenenwelt heranzu
Was aber allen hochbegabten Kinder gemeinsam ist, ist ihr Bedürfnis nach "geistiger Anregung" -   sie brauchen und suchen "Futter für ihr Hirn".


„Alle hochbegabten Kinder lernen schon vor der Schule lesen und zwar ohne Unterstützung durch Erwachsene.“


Nein.
Manche hochbegabte Kinder lernen sehr wohl schon im Kindergartenalter lesen, und manche lernen es ohne die Hilfe Erwachsener. Andere lernen aber erst in der Schule lesen. Die meisten hochbegabten Kinder scheinen sich aber schon vor Schuleintritt intensiver als andere Kinder für Buchstaben und Zahlen zu interessieren.

"Alle hochbegabten Kinder brauchen wenig Schlaf." 

Nein.
Es gibt hochbegabte Kinder, die weniger Schlaf brauchen als Gleichaltrige, das ist aber kein zwingendes Merkmal von Hochbegabung.

„Alle hochbegabten Kinder fragen den Erwachsenen ständig Löcher in den Bauch.“

Nein.
Viele hochbegabte Kinder sind sehr wissbegierig, und da sie genau beobachten, gibt es oft Anlass zu Fragen. Es stellen aber nicht alle hochbegabten Kinder dauernd kluge Frage. In vielen Situationen sind sie auch ganz einfach nur Kinder, wie alle anderen auch.

„Das Leben mit hochbegabten Kindern ist viel einfacher, weil sie immer vernünftig sind und sich wie Erwachsene benehmen.“

Nein.
Hochbegabte Kinder sind Kinder, so wie alle anderen auch – mit Trotzphasen, Frechsein, Zähne putzen verweigern usw.

Was manche von ihnen von anderen Kindern unterscheidet, ist ihre hohe Sensibilität. So kann das Leben mit hochbegabten Kindern aufgrund heftiger Gefühlsausbrüche sehr anstrengend sein. Außerdem haben viele hochbegabte Kinder einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, was im Familienalltag eine besondere Herausforderung bedeuten kann.

„Schwierig“ werden manche hochbegabten Kinder, wenn sie in ihrem Leben schwierige Erfahrungen durchmachen, z.B. wenn sie als Außenseiter ausgegrenzt werden oder wenn ihr schnelles Lerntempo in der Schule nicht berücksichtigt wird.

"Alle hochbegabten Kinder sind als Erwachsene erfolgreich."

Nein.
Ob ein Mensch seine (Hoch-)Begabung in seinem Leben erfolgreich einsetzen kann, hängt von vielen Faktoren ab, u.a. von psychologischen Eigenschaften (wie Motivation, Leistungswille, Selbstvertrauen) und von Umwelteinflüssen (wie adäquater Förderung, familiäres Umfeld). Nicht einmal Schulerfolg ist garantiert, wie die vielen hochbegabten Underachiever aufzeigen. Übrigens: Viele Hochbegabte gehen wohl durchs Leben ohne jemals von ihrer Hochbegabung zu erfahren. 
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