Die fabelhafte Welt der Hochsensiblen und Hochbegabten (Corinna Kegel)
Das Buch erzählt Geschichten oder besser gesagt, es präsentiert kleine Geschichtchen, kleine Einblicke, kleine Glanzlichter aus dem Leben verschiedener hochbegabter/hochsensibler Menschen. Wirklich nahe geht mir dabei so gut wie nichts, das Erzählte bleibt oberflächlich, an keine der Geschichten werde ich mich in einigen Monaten noch erinnern können.
Mir fehlt der Aspekt der Entwicklung, in irgendeiner Weise auch das „Schwere, Tragische“; die Tatsache, dass Hochbegabte/ Hochsensible auch am Anderssein leiden, dass vieles sehr anstrengend für sie ist – wie z.B. das von der Autorin empfohlene „Strukturieren Sie Ihre Gedanken so, dass auch der normal begabte Gesprächspartner alle Schritte nachvollziehen kann.“ Ja eh, aber das geht nur auf Kosten des Hochbegabten, der sich zurücknehmen und anpassen muss.
Positiv ist, dass die meisten der Geschichten Erfolgstories sind – auch wenn das in jenen hochbegabten LeserInnen, die ihr Leben nicht als Erfolgstory sehen, Schuldgefühle auslösen kann. Manche Lösung sind in meinen Augen allerdings nicht erstrebenswert: Wenn die hochsensible Künstlerin, die sich auf keinen Beruf, auf keinen Lebensweg festlegen kann, dann ein Kind bekommt und in diesem den Sinn ihres Lebens entdeckt, kommen mir Zweifel, wie lange das Glück anhalten wird.
Was mir ganz fehlt, ist die Tatsache, dass es auch gewissen „Zwänge“ im Leben gibt: Der Grundaussage, dass jeder hochbegabte/hochsensible Mensch sich seine Lebensumwelt nach seinen Bedürfnissen schaffen muss, um glücklich zu sein, kann ich theoretisch voll zustimmen. Doch in der Realität ist das oft nicht einfach, es kann sogar unmöglich sein. Zum Beispiel ist es in der heutigen Gesellschaft ziemlich schwierig, jenseits der 50 Jahre einen neuen Beruf zu beginnen, eine Ausbildung finanziert zu bekommen. Nicht jeder hochsensible Mensch kann seine berufliche Umwelt „reizarm“ gestalten (man denke zum Beispiel an einen Lehrer) oder sich einen anderen Beruf suchen (man denke wieder an den Lehrer). Und nicht jedem ist es gegeben, von seinen künstlerischen Fähigkeiten zu leben; nicht jeder kann ein Sabbtical nehmen, um seine neuen Ideen auszuprobieren. Sein Leben trotz dieser Einschränkungen bejahen zu können, darin liegt meiner Meinung nach die wahre Größe des Menschen.




