Hochsensible Kinder
Letzte Woche durfte ich vor einer netten kleinen Runde in der Babycouch Wr. Neustadt über "Hochsensible Kinder" sprechen. Das Wichtigste habe ich hier zum Nachlesen zusammengefasst.

Was ist Hochsensibilität und wie wirkt sie sich im Alltag aus?
Hochsensibilität bedeutet, dass die sensorischen Nerven (also die Nerven, die Reize aus der Umwelt aufnehmen) schneller reagieren: Das heißt, ein kleiner Reiz löst bereits eine Reaktion bei der hochsensiblen Person aus während jemand anders gar nichts wahrnimmt.
Logischerweise ergibt sich daraus die Gefahr der „Überreizung“(Überstimulation), weil diese vielen, intensiv wahrgenommenen Reize nur schlecht und ab einem gewissen Punkt gar nicht mehr verarbeitet werden können.
Je nach Temperament reagiert das hochsensible Kind unterschiedlich:
·Entweder mit Rückzug z.B. „in den Tag träumen“ oder sozialem Rückzug
·Oder mit „Überreaktion“, d.h. das Kind wird kribbelig, aufgedreht, zappelig, laut…
In beiden Fällen ist das Kind von außen nur mehr schwer erreichbar und man muss sich dem Kind bewusst zuwenden, wenn man es erreichen will. Oder es sachte auf die Schulter klopfen, oder beim tobenden Kind abwarten, bis das Ärgste vorbei ist…
Beides – Rückzug oder „Ausagieren“ - ist natürlich in Kindergarten und Schule nicht optimal, weil es nicht dem „sozial erwarteten Verhalten“ entspricht und das Kind leicht als „auffällig“ abgestempelt wird.
(Es gibt ein sehr eindrückliches You Tube Video zu sensory overload also Sensorischer Überreizung: https://www.youtube.com/watch?v=K2P4Ed6G3gw )
Was können Eltern tun, um ihr hochsensibles Kind zu unterstützen?
Je kleiner das Kind ist, desto weniger kann es ausdrücken, was das aktuelle Problem ist. Ein größeres Kind kann z.B. schon sagen „es ist so laut hier“, ein Baby aber nicht.
Oder: Viele hochsensible Menschen reagieren auf Kleidung – irgendetwas kratzt, ist zu eng, ist unangenehm – das sind dann die Kinder, wo man aus jedem T-Shirt das Etikett rausschneiden muss. Ein Baby kann hier nur weinen oder schreien, während ein älteres Kind schon sagen kann „die Strumpfhose kratzt“.
Hier ist es ganz wichtig für die weitere Entwicklung des Kindes, wie die Eltern auf solche Situationen reagieren:
·Die Eltern können dem Kind klar machen, dass das gar nicht sein kann, dass es einfach unmöglich ist, dass diese Strumpfhose kratzt à das stürzt das Kind in tiefe Verwirrung, denn das, was die Eltern sagen, passt nicht zu dem, was es mit seinem Körper wahrnimmt. à Das Kind verliert das Vertrauen zu seinem Körper, weil es seinen Eltern glaubt.
·Ähnliches passiert, wenn die Eltern versuchen, das Kind „abzuhärten“ um es auf die „Welt da draußen“ vorzubereiten. Diese Eltern erklären dann dem Kind, dass es nicht so zickig sein soll und dass es die Strumpfhose anlassen muss. à Auch hier spürt das Kind die Kluft zwischen seiner eigenen Wahrnehmung und dem, was seine Eltern sagen – und wird zu dem Schluss kommen, dass mit ihm „irgendetwas nicht in Ordnung ist“.
·Die beste Reaktion der Eltern wäre, die Wahrnehmung des Kindes anzuerkennen: „Okay, du meinst, dass die Strumpfhose kratzt – dann zieh bitte eine andere an.“ Und das kann man in gewisser Weise schon beim Baby machen, indem man es von Reizen „befreit“ bzw. fernhält (z.B. indem man den Body wechselt, wenn das Baby sich nicht beruhigt oder indem man es von Hintergrundmusik befreit). Oder indem man feste Rituale einhält, die dem Kind Sicherheit und Geborgenheit geben (wenn es den Ablauf kennt, braucht es nicht angespannt warten, was denn heute für Reize auf es einströmen könnten).
Wichtig ist jedoch, dass Eltern nicht in das Extrem der „Überbehütung“ kippen d.h. dass sie nicht beginnen, ihre hochsensiblen Kinder vorausblickend vor allen Reizen abzuschirmen und zu behüten. Denn damit wird dem Kind die Möglichkeit genommen, selbst herausfinden, was es „aushalten“ kann und wovor es sich besser schützen sollte bzw. was es besser vermeiden sollte. Und dieser Lernprozess funktioniert eben nur, wenn das Kind in Kontakt mit den Reizen kommt, aber immer den Rückhalt der Eltern hat und auch Möglichkeiten, sich vor zu intensiven Reizen zurückzuziehen. (Mit wenig Reizen beginnen, das Kind beobachten und dann steigern…)
Kann man bei einem Baby schon feststellen, dass es hochsensibel ist? Nein, aber man kann durch Beobachtung eine gewisse Tendenz erkennen, wenn das Kind schneller „gestresst“ wirkt. (Und man sollte sich nicht verleiten lassen, an seinem Kind eigene hochsensible Wesenszüge „von Anfang an“ sicher zu erkennen…).
Der "sechste" Sinn ;-)
Neben der reinen sensorischen Wahrnehmung also
·Visuellen Reize/ Licht
·Geräusche/ Lärm/ Musik
·Gerüche
·Geschmack und
·Haut
haben viele hochsensible Menschen auch eine überdurchschnittliche Wahrnehmung für Stimmungen und Gefühle anderer Menschen – z.T. können sie Stimmungen und Gefühle instinktiv wahrnehmen und merken sofort, ob ihnen jemand freundlich gesinnt ist oder nicht, oder ob in einem Raum „dicke Luft“ herrscht.
Das sind Kinder, denen schnell etwas peinlich ist und die sich oft für andere schämen, bzw. denen es peinlich ist, wenn andere Menschen etwas Unpassendes tun.
Die Gefühle nehmen sie natürlich bei ihren Eltern besonders gut und intensiv wahr à Gefahr des „Aufschaukelns“. Das hochsensible Kind ist unruhig, das hochsensible Baby weint und die Mutter, die vielleicht auch hochsensibel ist, beginnt instinktiv, mit dem Kind mitzuleiden und hält das Weinen des Babys ganz schlecht aus. Sie wird nervös und fahrig, und das überträgt sich dann wieder auf das Kind… das sich dann noch schlechter beruhigen lässt.
Hier hilft es, sich ganz bewusst zu sagen, dass es einfach zur Entwicklung des Kindes dazu gehört, dass es manchmal weint und dass man es nicht verhindern kann und auch nicht verhindern muss. Manchmal ist es eben so, dass wir als Mütter alles getan haben, was uns einfällt – und das Baby weint noch immer. Dann können wir nicht mehr tun als es in dem Arm nehmen und festhalten – und warten, dass es wieder aufhört.
Ähnlich ist das mit Trotzanfällen und überreizten Kindern – die brüllen dann vielleicht auch wie wild und schlagen um sich… Auch da kann man meist nichts anderes tun, als darauf achten, dass sie sich nicht verletzen… und sie nachher in den Arm nehmen und trösten.
Hochsensible Babies und Kinder spüren auch sehr gut, wie es ihren Müttern (und Vätern) geht – daher gilt hier (wie bei allen Kindern, doch noch eindeutiger): Mütter haben ein Recht, ja sogar die Pflicht, darauf zu schauen, dass es ihnen gut geht 😉.
PS. Einen anerkannten Test für Hochsensibilität gibt es nicht, aber eine Checkliste für Kinder und Erwachsene:
Mein Buchtipp zum Thema: Sellin, Rolf: Mein Kind
ist hochsensibel – was tun?




