Axel Brauns: BUntschatten und Fledermäuse.

Ich frage mich ja immer wieder, wer die Klappentexte hinten auf dem Buch schreibt. Beziehungsweise, ob diese Menschen die Bücher eigentlich lesen, über die sie schreiben.
Bei diesem Buch fand ich den Klappentext wieder mal recht banal - da es um einen Autisten geht, klingt es doch immer gut, wenn man schreibt "es ist berührend, wie der autistische Autor beschreibt, wie er sich der Welt öffnet."

Das trifft aber nicht das Thema des Buches: Der Autor war nie von der Welt abgekapselt, auch wenn sein Zugang zur Welt anders war als der "neurotypischer" Menschen. Für ihn waren von frühester Kindheit an andere Aspekte der Welt anziehend: Zum Beispiel die Lichtreflexionen auf einer glänzenden Fläche, das Gefühl mit der Hand über eine glatte Oberfläche zu streichen oder das Ein- und Ausschalten des Lichtschalters.
Das mag auf andere Menschen befremdlich wirken, weil es ja nicht dem allgemeinen Interesse an der Welt entspricht - im Buch bekommt man allerdings den Eindruck, dass der Autor nicht unbedingt ständig und immer unglücklich darüber war. Und dass er seine monotonen Handlungen - wie z.B. immer wieder mit der Hand über eine glatte Oberfläche streichen oder im Vorbeigehen die Hand durch die Buchsbaumhecke ziehen - nicht (immer) aus einem inneren Zwang ausführt, sondern um sich zu beruhigen, zu fokussieren und einfach weil sie ihm gefallen und Freude bereiten.

Besonders interessant fand ich, dass er schreibt, dass er manchen Gesichter einfach nicht sehen konnte - für ihr war dort nur Nebel, was es natürlich unmöglich machte, aus einem Gesicht auf die Gefühlslage des dazugehörigen Menschen zu schließen. Und besonders arg war es, wenn dieser Mensch emotional erregt war - dann verschwamm das Gesicht noch mehr. Wenn man das Gesicht nicht sieht oder erkennen kann, hat man kein Interesse, das Gesicht anzusehen oder seinem Gegenüber in die Augen zu schauen - was dem Autor immer wieder als Unhöflichkeit oder "freches Benehmen" vorgeworfen wurde. Nur zeitweise lichtete sich der Nebel.

Bewundernswert ist, mit welcher Hartnäckigkeit die Mutter
ihren Sohn fördert und fordert (v.a. was das Schreiben von Deutschaufsätzen betrifft, was naturgemäß schwierig ist, wenn man die Gefühlszustände anderer Menschen nicht nachvollziehen kann). Auch der Autor selbst ist in vielem sehr hartnäckig - zum Beispiel spielt er viele Jahre Flöte obwohl ihm das Wesen der Musik verschlossen bleibt. Auch das Entwerfen von Kreuzworträtseln eignet er sich als Jugendlicher im Selbststudium an.

Und dank dieser Hartnäckigkeit findet er seinen Platz im Leben und legt - eine nach der anderen - die monotonen Verhaltensweisen ab.

PS. Ach ja: Fledermäuse und Buntschatten sind die beiden Kategorien, in die der Autor als Kind Menschen einteilte: Die, die so sind wie er, sind die Buntschatten ;-).


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